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„Schreiben heißt überleben“ - Buchvorstellung "Die Verängstigten“ von Dima Wannous

Titel:
„Schreiben heißt überleben“ - Buchvorstellung "Die Verängstigten“ von Dima Wannous
Wann:
Fr, 26. Oktober 2018, 20:00
Wo:
Galerie Arabeske - Heidelberg, Baden-Württemberg
Kategorie:
Literatur
„Schreiben heißt überleben“ - Buchvorstellung

Beschreibung

Gudrun Sidrassi-Harth stellt den neuen Roman der syrischen Autorin Dima Wannous vor
Freitag, 26.10.2018, 20 Uhr

Schreiben ist Flucht„ sagt die syrische Schriftstellerin Dima Wannous in einem Interview: „Schreiben bedeutet für mich nichts anderes als die Suche nach einem Freiraum, einem Ort zum Leben. Im Zuge des Schreibens wird dieser Freiraum zur Projektionsfläche für die eigene Wunschrealität. Die Wirklichkeit erscheint demgegenüber als Trugbild, als Alptraum, aus dem es erst mithilfe des Schreibens ein Erwachen gibt“. (Rasha Hilwi interviewt die Autorin Dima Wannous im FANN-Magazin https://www.fann-mag.com/de/literatur/dima-wannous-die-veraengstigten/)

Der Roman „Al-Khaifoun„, deutsch: Die „Verängstigten„, stand auf der Shortlist für den „International Prize for Arabic Fiction 2018„, dem bedeutendsten Literaturpreis der arabischen Welt. Es geht in diesem Roman, wie der Titel andeutet, um die Angst, die das Gewaltregime in Syrien verbreitet. Eine quälende existentielle Erfahrung, ohne Atempause, ohne Aussicht auf ein Ende. Ausdruck findet sie in der mehrfach wiederholten Bemerkung, am schlimmsten sei die Angst vor der Angst. Wie ist das zu verstehen? Für gewöhnlich haben wir Angst vor etwas Bestimmtem, vor einer aggressiven Person, vor einem Examen usw. Die Angst vor der Angst aber hat keinen bestimmten Gegenstand. Sie ist unheimlich. Man kann sich nicht auf sie einstellen, da die mit ihr verbundene unbestimmte Gefahr von überall her kommen kann. Wie ein giftiger Nebel überschwemmt sie die ganze Gesellschaft.
Was diesen unerträglichen Zustand hervorbringt und verschärft, ist klar. Es ist die Gewaltherrschaft der Assad-Diktatur, ihr überall gegenwärtiger Überwachungsapparat; es sind die keineswegs geheim gehaltenen Folterkeller und die Mordanschläge auf den Widerstand in der syrischen Gesellschaft. Diese Politik der Angst greift mit der Sprache die Psyche an und schlägt sich am Ende in der Schwierigkeit nieder, zwischen Fantasie und Realität unterscheiden und eine Geschichte zusammenhängend erzählen zu können.
Nicht von ungefähr beginnt der Roman in der psychotherapeutischen Praxis von Kamil, Therapeut und guter Freund von Sulaima, der Hauptfigur des Romans. Hier trifft sie Nassim, einen Arzt und Schriftsteller, nach Wochen in der „Abteilung für Tod und Wahnsinn“ des syrischen Geheimdienstes, traumatisiert ist, sich ins eigene Gesicht schlägt und verletzt.
In  Sulaimas Erzählung flieht der geliebte Nassim ohne sie nach Deutschland, hinterlässt ihr seine Wohnung. Sie findet dort ein unfertiges Romanmanuskript, in dem eine Salma als Erzählerin einer Geschichte auftritt, in der sich Sulaima wie in einem Spiegelbild wiedererkennt. Sie liest und kommentiert Nassims Papiere, behauptet, er habe ihre Geschichte gestohlen und macht sich dennoch auf die Suche nach Nassims Romanfigur Salma. Vielleicht ist das ein Bild für die Suche nach ihrem eigenen Ich, das Sulaima versuchsweise von sich selbst abspaltet, um ihm die Möglichkeit eines anderen Lebenslaufs anzudichten. Denn Sulaima kommuniziert in Gedanken mit der von Nassim, vielleicht sogar von ihr selber „erfundenen“ Figur Salma, indem sie fragt: „Ist nicht deine Geschichte – meine Geschichte – das Letzte, was mich wirklich meine Existenz spüren lässt?“
"Alles, was ich geschrieben habe, hat mit uns zu tun. Das was Sulaima, Salma und Nassim erlebt haben, ist das, was die Syrer in Jahrzehnten der Unterdrückung und Diktatur erlebt haben", erzählt Wannous. "Die Frage, die sich mir stellte: Wie kommt es, dass der Mensch sich in eine Bestie verwandelt oder andere Leute zu einer zerbrechlichen Natur werden, manche voller Angst sind und manche vielleicht den Verstand verlieren."
Der Roman gibt keine einfachen Antworten. Auch diejenigen, die aus dem Land geflohen sind, müssen mit ihren traumatisierenden Erfahrungen leben.

Dima Wannous, die1982 in Damaskus geborene Tochter des bekannten Dramatikers Saadallah Wannous, ist eine der wichtigsten Stimmen der jungen Exilliteratur Syriens. Sie studierte französische Literatur und Übersetzung an der Universität in Damaskus und an der Sorbonne in Paris. 2012 verließ sie Syrien, lebte zunächst in Beirut und wohnt seit 2016 in London. 2007 veröffentlichte sie den Erzählband Tafasil (Details), der auf Deutsch 2014 unter dem Titel „Dunkle Wolken über Damaskus“ erschienen ist. 2008 folgte der Roman Al Kursi (Der Stuhl). Neben ihrem literarischen Schreiben arbeitet Wannous als Journalistin, unter anderem für den Fernsehsender „Orient News“, für den sie eine Sendung produziert und moderiert.

Übersetzung ins Deutsche: Larissa Bender - 2018 bei Blessing, München erschienen, Bildnachweis Buchcover Blessing 2018


Veranstaltungsort

Standort:
Galerie Arabeske
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